Mattenfuchs und Taubenvater

Zum 80.Geburtstag des Ringers Klaus Rost

Seine Glanztaten liegen schon fast 60 Jahre zurück; dennoch ist Klaus Rost, der Leichtgewichts-ringer aus Witten, in der Stadt an der Ruhr ein Sportidol geblieben. Und deshalb wird er am 2. März, seinem 80. Geburtstag, viele Hände schütteln müssen – von alten Wegbegleitern, Sportkameraden und Offiziellen der Stadt. Als deren erfolgreichster Sportler der Ehrenbürger noch immer gilt.

Klaus Rosts Olympisches Freistilsilber 1964 in Tokio, eine WM-Bronzemedaille 1963 im griechisch-römischen Stil, 30 Länderkämpfe und 18 Deutsche Meistertitel bleiben in dieser von Bergbau, Stahlindustrie und Maschinenbau geprägten Region unvergessen.

Ebenso, dass Klaus Rost allzeit bescheiden und ein Sportler der leisen Töne war; und boden-ständig geblieben ist: vom ersten Versuch 1952 als Zwölfjähriger bis zum letzten Kampf in der zweiten Mannschaft des KSV 07, da war er schon 45 Jahre alt – allzeit auf Wittener Ringer-matten. Die meisten Jahre für den KSV 07; ein paar für die Sport-Union Annen, mit deren Idol, seinem Freund und Olympiazweiten von Rom Günther Maritschnigg.

Eine einzige Saison, 1965, rang er „im Ausland“, beim badischen KSV Wiesenthal in der Nähe von Karlsruhe. Der hatte dem Leichtgewichtsass den Wechsel nicht nur finanziell schmackhaft gemacht, sondern auch mit einem Taubenschlag. Denn Klaus Rosts zweite Leidenschaft neben dem Ringkampf war die Brieftaubenzucht. Bei der „Brieftauben-Reisevereinigung Witten“ war er – wie auf der Matte – ein Champion. Oft kehrten Tauben von ihm als erste von 16.000 oder 18.000 (!) Gestarteten in den heimatlichen Schlag zurück, zu ihrem „Taubenvater“. Nach manchmal bis zu 1.000 Flugkilometern. „Damit habe ich mehr Geld verdient als beim Ringen“, erinnert sich Rost. „Mit der Zucht, dem Verkauf von Eiern; besonders aber mit den Wetten“. Die Tauben galten damals als die Renn-pferde des Bergmanns. „Deshalb hab‘ ich vor der Rückkehr meiner Tauben manchmal mehr geschwitzt als auf der Matte…wenn ich hoch gesetzt hatte“.

Um das mit dem Geldverdienen nicht misszuverstehen: in der Zeit als Klaus Rost aktiv war, waren die Mattenathleten – abgesehen von den „Staatsamateuren“ des Ostblocks – tatsächlich Amateure. Keine Bundeswehr- oder Polizei-Sportfördergruppen, noch keine Sporthilfe-Unter-stützung Die Besten erhielten ein paar hundert Mark Handgeld. „Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, bis zur Rente“ – das darf man dem 80jährigen glauben. Rost war beschäftigt in einer Feder-Fabrik in Herbede und in der Druckerei von Emil Olsberger, dem großen Gönner des KSV. Er verdiente gut, bekam zu Sportreisen auch mal Kurzurlaub.

Entdeckt als Ringertalent wurde Klaus Rost, als jugendlichen Freunde ihn einmal mit in die Wittener Ringerhalle schleppten. Jung-Klaus fing sofort „Feuer“ beim Raufen und auch ein gewisser Karl Brockhoff, der Trainer. Bei ihm lernte Rost fortan das ABC des Ringens. Und viele jener Griffe und Tricks mit denen er über Jahrzehnte so erfolgreich war. „Der Karl hat uns behandelt, als wären wir seine eigenen Jungs“, lobt Rost ihn später. „Mit ihm übernachteten wir auf dem Weg zu einer Deutschen Jugendmeisterschaft in Freiburg sogar einmal in einem geparkten Möbelwagen… und sparten damit unsere Groschen“.

Der „doppelte“ Leichtgewichtler Rost (Gewichtsgrenze damals 68 kg) gewann zwölf seiner deutschen Meistertitel im freien und vier im griechisch-römischen Stil. Dazu kamen zwei Deutsche Mannschaftsmeisterschaften – alle Titel zwischen 1958 und 1974. Ältere Experten erinnern sich an Rosts große Gegner hierzulande: an Franz Schmitt (Aschaffenburg-Damm), Horst Bergmann (Lichtenfels) oder Manfred Schöndorfer (Bad Reichenhall); an Wittens Meister-mannschaften, neben Rost mit u.a. Drywa, Schrader, Kowalewski, Sperling, Englich, Eichelbaum und an die großen Konkurrenten aus Schifferstadt, Köllerbach, Mainz und Schorndorf.

Schließlich und ganz besonders erinnert man sich an die gefürchteten Spezialgriffe von Klaus Rost: an seinen blitzschnellen Armdrehschwung; an die Einsteiger und Abklemmer am Boden. Einem Fakir gleich. Fast immer erfolgreich. „Obwohl die Gegner wussten, was ich vorhabe.“

Mit Aktionen, die in keinem Lehrbuch standen, düpierte Klaus Rost oft auch seine internationalen Gegner – u.a. bei sieben Weltmeisterschaften, drei Olympischen Spielen (Tokio, Mexiko, München); bei 30 Länderkämpfen für die Bundesrepublik, wo Legenden wie Wilfried Dietrich, Paul Neff, Rolf Lacour, Peter Nettekoven, Heinz Kiehl seine Teamgefährten waren.

Ein Jahrzehnt lang zählte der nun 80jährige zur Weltelite der Leichtgewichtler. Bei den meisten Titelkämpfen vorn dabei: mehrfach „undankbarer“ Vierter; zweimal stand er auf dem Treppchen – bei der WM 1963 als Dritter im griechisch-römischen Stil und 1964 in Tokio mit der Silbermedaille im Freistil. Rost: „Sie glänzt bis in die Ewigkeit“. Mit diesem Triumph in der letzten „Gemeinsa-men Deutschen Mannschaft“ hatte Rost nur im Stillen „gerechnet“ und auf dem Flug nach Japan seinem Teamkollegen Heinz Kiehl auf dessen Frage, ob er gut in Form sei, noch mit seinem sprichwörtlichen trockenen Humor geantwortet „ach, für den Einmarsch wird es schon reichen“.

Vier Jahre später, bei Olympia in Mexiko, fühlte sich Klaus Rost verschaukelt: Eine „Kombine“ unter zwei Ostblock-Ringern verhinderte den Weg auf das Podest, diesmal im griechisch-römischen Stil. Der eine Athlet, aussichtslos im Rückstand, legte sich zugunsten des sozialisti-schen Bruders auf die Schultern, ebnete ihm damit den Weg zur Silbermedaille. Für Rost blieb nur der vierte Platz. „Dennoch“, sagte der alte Wittener, „war Mexiko die schönste Reise meiner Laufbahn. Wie ich überhaupt durch den Ringkampf so viel von der Welt kennengelernt habe und dafür dankbar bin“. Dem Sport hat er nach seiner langen Laufbahn auch einiges zurückgegeben, mit seinem Engagement als Trainer für die Jugend beim KSV, die mit Lehrmeister Rost einen deutschen Mannschaftstitel feierte und als Landesverbandstrainer von Nordrhein-Westfalen.

Klaus Rosts heutige „Welt“ ist ein Wittener Seniorenheim. Dorthin ist er gezogen, nachdem seine Ehefrau Jutta, eine ehemalige Handball-Bundesligaspielerin, im Dezember 2018 plötzlich verstorben war. Im „Haus Maria“, seiner neuen Heimat, fühlt er sich bestens betreut. Die beste „Pflege“ aber erfährt er durch seinen alten Ringerfreund Frank Bartel. Der fast zehn Jahre Jüngere, der mit Rost 1974 in der deutschen Meisterstaffel des KSV Witten stand, besucht mit seinem alten Kumpel noch immer die Bundesligakämpfe in der Husemannstraße, geht mit ihm einmal wöchentlich schwimmen und steht mit dem auch tischtennisbesessenen Ringeridol regelmäßig, manchmal zwei Stunden, an der grünen Platte.

Diese Freundschaft ist wohl das schönste Geschenk für den ehemaligen „Mattenfuchs“ – nicht nur zu seinem 80.Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch der Wittener Symbolfigur Klaus Rost!

DOSB-Presse / Klaus Angermann