MEIN JOB: Bundestrainer

Der Ringer-Bundestrainer Michael Carl bangte um die olympische Zukunft seiner Sportart. Nun bereitet er sich auf die Spiele in Japan vor.

An Karneval spielt die Welt verrückt. Das hat auch Michael Carl erlebt. An Rosenmontag 2013 begann er seinen neuen Job als Bundestrainer des Deutschen Ringer-Bunds (DRB). Am nächsten Morgen, Veilchendienstag, klingelte sein Handy. Michael Carl ging dran, am anderen Ende meldete sich ein Journalist. Was er denn davon halte, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) seine Sportart aus dem Programm nehmen will, wurde der Bundestrainer gefragt. „Der Anruf hat mich damals echt schockiert“, erzählt Carl. „Ich wusste nämlich gar nichts von den Plänen.“ Er dachte an die fatalen Folgen: Sportlerträume wären zerplatzt. Es hätte eine Reduzierung der Fördergelder gedroht. Und vermutlich weniger Stellen beim Verband gegeben.

Denis de Haas / WAZ

Ringen bleibt olympisch

Heute kann Michael Carl über diese Geschichte schmunzeln. Das IOC entschied sich um. Ringen blieb im Programm der Sommerspiele. Deshalb darf der 39-Jährige im Jahr 2020 nach Tokio reisen – zu seinen zweiten Olympischen Spielen als Bundestrainer im griechisch-römischen Stil. „Auf dieses Ereignis bereiten wir uns jetzt schon gezielt vor“, sagt Carl. „Unser Ziel ist es, dorthin zu reisen und dann mindestens eine Medaille zu gewinnen.“ 2016 in Rio de Janeiro holte sein Athlet Denis Kudla die Bronzemedaille. Diesen Erfolg feierten die Ringer im Deutschen Haus.

An Medaillen und Partys mit anderen Sportlern dachte der Bundestrainer noch nicht, als er das erste Mal mit dem Ringen in Kontakt kam. 1985 war das, er ging damals noch in den Kindergarten. Der sportbegeisterte Vater nahm den kleinen Michael mit zu einem Kampf der Ringer-Bundesliga. „Die Stimmung hat mich sofort gepackt“, erzählt Carl von seinem Besuch beim RWG Mömbris-Königshofen.

Silber bei der Junioren-WM

Er wollte selber Ringer werden und schloss sich der Kindergruppe des unterfränkischen Vereins an. Nach ein paar Jahren spezialisierte sich Carl auf den griechisch-römischen Ringkampf: Dabei dürfen im Gegensatz zum Freistil nur Techniken und Griffe oberhalb der Gürtellinie angewandt werden. „Meiner Statur kam der Stil mehr entgegen.“

Die Entscheidung für die antike Variante zahlte sich aus. Michael Carl gehörte ab 1998 dem Nationalkader an und vertrat Deutschland ein Jahr später bei der Junioren-Weltmeisterschaft. In Bukarest gewann er damals die Silbermedaille. „Das war der größte Erfolg meiner aktiven Karriere.“ 2003 verabschiedete er sich dann als Aktiver aus dem Nationalkader. Carl arbeitete damals bei einer Krankenkasse und machte parallel dazu den Betriebswirt. Zudem war er gerade Vater geworden.

Es folgte der Einstieg ins Trainergeschäft. Zunächst arbeitete Carl für den hessischen Verband als Landestrainer, sichtete in dieser Funktion Talente. Seine Trainerkarriere nahm im Jahr 2011 mit dem Angebot Fahrt auf, die Sportfördergruppe der Bundeswehr zu trainieren. Auch heute ist er für die Athleten am Stützpunkt Schifferstadt noch verantwortlich. Dreimal pro Woche fährt Carl in die Ringer-Hochburg, die rund 140 Kilometer von seinem Wohnort Kleinostheim entfernt ist.

Am Stützpunkt trainiert der zweifache Familienvater auch Ringer, mit denen er als Bundestrainer zusammenarbeitet. Neben Olympiamedaillengewinner Kudla sind das etwa Eduard Popp oder Pascal Eisele. Die Sportler profitieren von der guten Ausbildung ihres Trainers, der 2015 sein Diplom an der Sporthochschule Köln machte.

Im gleichen Jahr flog Michael Carl nach Las Vegas. Die Zocker-Metropole war Austragungsort der Ringer-Weltmeisterschaft. Aus Carls Team rechnete sich damals vor allem Frank Stäbler Medaillenchancen aus. Am Ende holte der Schwabe sogar Gold im Leichtgewicht. Michael Carl erinnert sich, was er damals gefühlt hat: „Das müssen wir jetzt richtig genießen. Wer weiß, wann wir so einen Erfolg nochmal erleben dürfen.“

Eine Sonnenbrille für Stäbler

Er musste aber erfreulicherweise gar nicht so lange auf die nächste Titelfeier warten. Denn Frank Stäbler wurde auch 2017 in Paris Weltmeister. Und 2018 fuhren die deutschen Ringer zur WM nach Budapest. „Dazu gibt es eine nette Anekdote“, erzählt Michael Carl. Frank Stäbler bewunderte die Sonnenbrille des Bundestrainers. Er wollte sie haben und bot sein eigenes Modell zum Tausch an. „Er hat mich zwei Jahre lang damit genervt“, erzählt Carl. „Schließlich habe ich ihm gesagt, dass er die Sonnenbrille bekommt, wenn er den Titel holt.“

Frank Stäbler nahm ihn beim Wort. Vor dem Finalkampf gegen Balint Korpasi fragte er nach, ob der Trainer denn die Sonnenbrille dabei hätte. Michael Carl zeigte das Objekt der Begierde. Stäbler gewann den Kampf um Gold – und damit eine neue Sonnenbrille.